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Heute vor 30 Jahren Jürgen Sparwasser: Als sich das Fußball-Idol der DDR in den Westen absetzte

10.01.2018, 11:38

Magdeburg/Frankfurt am Main - Vor 30 Jahren erlebte der Fußball in der DDR einen Schock: Jürgen Sparwasser, eine der größten Legenden im Ost-Fußball, hatte sich mit einem Trick in den Westen abgesetzt.

Die Westflucht des gebürtigen Halberstädters war von langer Hand geplant. Nur wenige Personen, darunter seine Familie und einige Freunde, waren eingeweiht. Seine Frau Christa war auf Familien-Besuch im Westen, als Jürgen Sparwasser mit dem Traditionsteams seines 1. FC Magdeburg zu einem Spiel in Saarbrücken anreiste.

Westflucht: Jürgen Sparwasser setzt sich aus dem Teamhotel in Saarbrücken ab

Zu diesem Spiel lief der 49-malige DDR-Nationalspieler aber nicht mehr auf. Er hatte sich am Morgen nach dem Mannschaftsfrühstück aus dem Hotel abgesetzt. Beim Mittagessen wurden sein Verschwinden bewerkt, Sparwasser, damals 39 Jahre alt, kehrte nicht mehr in die DDR zurück.

"Die Anwesenheit einer Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg in Saarbrücken benutzten sportfeindliche Kräfte zur Abwerbung von Jürgen Sparwasser, der seine Mannschaft verriet", meldete die DDR-Nachrichtenagentur ADN am 10. Januar 1988.

Jürgen Sparwasser wollte nicht den FCM trainieren

„Das war eine schwere Zeit damals. Ich war 40 und musste einen kompletten Neuanfang machen“, sagte Sparwasser über seine Flucht bereits 2008 der MZ. Den Ausschlag für seine Entscheidung hatte dann auch etwas mit dem 1. FC Magdeburg zu tun. Sparwasser, nach seiner aktiven Zeit als Dozent an der Hochschule von Magdeburg tätig, sollte das Traineramt beim FCM übernehmen. So wollte es die SED, aber nicht Sparwasser selbst.

Die Erinnerungen an diesen einschneidenden Lebensabschnitt sind mindestens genauso präsent wie an sein geschichtsträchtiges Tor bei der WM 1974 gegen die BRD in Hamburg. „Es hieß ja: Entweder Bautzen oder ein neues Leben. Wir hatten nichts außer zwei Koffer“, erklärte Sparwasser.

Jürgen Sparwasser: Im Westen nur mit Hut und Mantel auf die Straße

Vor die Tür traute sich der bekannte Fußballer in den ersten Tagen nur mit einem Hut, den seine Frau für 56 Mark erstanden hatte, und hochgeschlagenem Mantelkragen. Darüber kann Sparwasser, der in Bad Vilbel bei Frankfurt sesshaft geworden ist, heute nur noch schmunzeln.

2010 stellte Sparwasser sein Buch „Ich, JürgenSparwasser - meine Biographie“ vor. Darin schildert der inzwischen 69-Jährige seinen Weg vom Sportstar zum DDR-Flüchtling. Bereut hat er seine Flucht nie, wie er in mehreren Interviews betonte.

Im Westen allerdings blieb er in Sachen Karriere unauffällig, arbeitete zunächst als Assistenztrainer bei Eintracht Frankfurt unter Karl-Heinz Feldkamp. „Das werden wir dem Verein nie vergessen. Besonders die Menschlichkeit der Familie Feldkamp war beeindruckend“, sagte Sparwasser, der später einen Job in der Frankfurter Fußballschule übernahm und dort mit Kindern und Jugendlichen arbeitete.

Zur Person: Das ist  DDR-Fußball-Ikone Jürgen Sparwasser

Jürgen Sparwasser wurde am 4. Juni 1948 in Halberstadt geboren. Er begann seine Fußball-Laufbahn unter seinem Vater als Trainer bei der BSG Lok Halberstadt, die ihn 1964 zum SC Aufbau Magdeburg delegierte. Er spielte beim FC Magdeburg in der DDR-Oberliga Fußball und bestritt 53 Länderspiele für die damalige DDR und 15 Spiele für die DDR-Olympiaauswahl.

Am 22. Juni 1969 wurde Sparwasser zum ersten Mal in der A-Nationalmannschaft im Spiel gegen Chile eingesetzt. 1974 schoss er das Siegtor der DDR gegen die BRD bei der WM. Im gleichen Jahr holte er mit dem 1. FCM den Europapokal der Pokalsieger. Sparwasser schoss für seinen Verein 131 Tore und für die DDR-Nationalmannschaft 15.

1979 stoppte eine Verletzung seine Fußballerkarriere. Am 10. Januar 1988 nutzte er eine Begegnung der Alt-Herrenmannschaft des FCM in Saarbrücken, um nicht in die DDR zurückzukehren. Von Januar 1988 bis 1989 war er dann Co-Trainer bei Eintracht Frankfurt. Von Juni 1990 bis November 1991 trainierte er den SV Darmstadt 98. (mz/bbi/dpa)